Donnerstag, 12. Juli 2007

Knäckefrische Treuepunkte




Treue zahlt sich aus!


belehrt mich mein 59-Cent-Knäckebrot in knallroten Lettern und mit Ausrufezeichen. Um der moralischen Frühstücks-Belehrung das knäckig Spröde zu nehmen, es förmlich in Knusperleichtigkeit zu wandeln, kommen die Buchstaben in geschwungener Linienführung daher. Beim zweiten Hinsehen wirkt die knallrote Schrift durch die wechselnde Buchstabengröße comichaft überdreht mit paranoiden Unterströmungen. Das in übergroßen Kapitalien gesetzte, oder eher gehängte Wort TREUE und das Ausrufezeichen, das wie ein Keil gegen das Umkippen der Buchstaben gesetzt ist, geben den Hinweis, das auch die aufgeblasenste, typografisch aufgepimpte Lüge immer eine Lüge bleiben wird. Marketing im 21. Jahrhundert, das sind die moralischen Beschissformeln des 19. Jahrhunderts, aero-flott gephotoshopped und aufgepoppt.

Das zugehörige Bildprogramm illustriert die zwei gesellschaftlichen Realitäten im zeitgenössischen Deutschland. Links der von kundiger Servicehand in den mit Stoffserviette ausstaffierten Drahtkorb hingefächerte Stapel frischen Knäckebrots, wie es der Finanzinvestor in seinem Hotel vorfinden wird. Rechts, die aus dem harten Brot der Realität des abgehängten Prekariats mit der Laubsäge herausgearbeiteten 75, die das voraussichtliche Rentenalter, der heute noch in Lohn und Knäckebrot stehenden Bevölkerung markieren soll. Wie eine fragile Mahnung steht die Zahl inmitten der drögen Krümel, die für die Verlierer der Globalisierung abfallen, als Zeichen dafür das auch diese Zahl sich morgen schon unter dem Druck der Verhältnis als brüchig erweisen könnte.

1 Kommentar:

Matthias Kiesselbach hat gesagt…

Sehr schöner Artikel. Eine Kritik an der als Bildwissenschaft getarnten Knäckebrotpackung -- getarnt als bildwissenschaftliche Kritik an einer Knäckebrotpackung. Zeig's ihnen, Norman!